Manchmal nützt es nichts. Man muss genau werden: Genau hinsehen, genau nachdenken, genau berichten... Manchmal lässt es sich einfach nicht vermeiden. Und so geschah es mit den Untersuchungen "Was tun diese Übungen eigentlich...?". Nicht anderes ergab sich für das daraus hervorgehende Projekt "Hände". Inzwischen haben die Untersuchungen der Ursprünge der deutschen Reiterei des 20. Jahrhunderts begonnen, die auch meine sind. Und auch für das Projekt "Steinbrecht, plus..." droht nun wieder dasselbe. Fazit: Nur die im Detail genaue Ansicht dessen, was im Einzelnen in den Ausbildungsschritten eigentlich vor sich geht, lässt letztendlich Rückschlüsse zu, welche der Reiter braucht um sein Pferd gesund, lustig und leistungsfähig zu machen und/oder zu erhalten.
Damit der interessierte Leser nun nicht die Übersicht verliert, möchte ich einige Worte über die Entstehung der genannten Projekte verlieren, und darüber was sie weiterhin am Laufen hält. Dazu einige Jahreszahlen. Das Ansinnen Ursprünge und Zusammenhänge der Reiterei formell genau zu untersuchen, und nicht nur weiterhin quasi aus rein privatem Interesse nebenbei zu verfolgen, began für mich im Jahr 2001. Zu der Zeit befand ich mich mit einer Gruppe selbstgezogener Pferde schon seit drei Jahren in der Normandie. Anfangsschwierigkeiten waren überwunden. Die Komputer waren installiert. Erste Zielsetzung war die genaue Inspektion der Vorgehensweisen zu Pferd, die sich zusammensetzte aus Erinnerung meiner Reiterjugend in Bonn, den täglichen Erfahrungen mit und zu Pferd hier, und dem was ich die französischen Reiter hier tun sah. Zeitgleich began die Untersuchung der Faktoren, die im Körper des Pferdes und des Reiters zur Reiterei beitragen und sie sozusagen erst ermöglichen. Schnell wurden diese Beobachtungen und sich daraus ergebende Überlegungen Grundlage meiner Arbeit. Sie sind es bis heute geblieben.
2004 heiratete unser ältester Sohn und nachdem der jüngere schon zwei Jahre davor unter die Haube gekommen war gingen damit meine Verpflichungen als Mutter endgültig an die Schwiegertöchter über. Eine Tür öffnete sich und ich stand nun fünfundfünfzig-jährig endlich an der Schwelle meines eigenen Lebens. Die zwei folgenden Jahre galten dem Schreiben, Redigieren, Illustrieren, Übersetzen, Verlegen und Herausbringen eines kleinen Buches "Die Elemente der Reiterei (2007)", in dem die zu diesem Zeitpunkt mehr erahnten als wirklich verstandenen Zusammenhänge der Reiterei festgehalten sind. Es wurde eine Art manifesto, an dem alles was noch folgt sich orientieren und festmachen lässt.
2007 folgte ein Abstecher in die Welt der Haltung und ihrer Rolle für Gesundheit und Wohlergehen. Gefolgt von einem ersten Vorstoß in so etwas wie eine umfassend geregelte, nicht nur an der deutschen Schule informierte Reiterei. Auch schon zu dieser Zeit spielte der umfangreiche Austausch mit Reitern im Internet welt-weit eine wichtige Rolle. Ebenso eine nahzu tägliche Bestandsaufnahme meiner Arbeit in Text und Bildern. Zugleich alterten die in den Jahren 1990 bis 2000 gezogenen Pferde friedlich im eins zu drei Takt mit meinem eigenen Leben auf ihren Weiden dahin. Und wie es so schön heisst, "...eines Tages wachst Du auf und weisst Du bis alt...". So war es auch für uns. Der Tag kam, ...und nicht nur für mich. Als im Jahre 2009 meine derzeitige Arbeit Form annahm, konnten weder ich noch die Pferde, die dieses Projekt ermöglichen weiterhin als jung bezeichnet werden. Egal wie sehr wir alle zusammen uns weiterhin jung fühlen.
"Was tun diese Übungen eigentlich...?" ging aus dem Bericht dazu hervor, wie wir die nun zwischen zehn und zwölf Jahre alten Pferd wieder in Beritt genommen haben, die in den Jahren der Recherchen, des Schreibens und des Veröffentlichung zu kurz gekommen waren. Neben dem fortgeschreitenden Alter der Pferde gab es in diesem Neustart einen weiteren wesentlichen Unterschied. Ende 2008 hatten wir aus gutem Grund alle Pferde von Vollbeschlag auf barfuß umgestellt. Danach war erst einmal Schrittreiten auf Sand angesagt. Und damit bot sich eine einmalige Gelegenheit, die ganz spezielle Rolle der Reiterhand und Zügelführung im Zusammenhang mit den Haltungen des Pferdes genau zu untersuchen. Es war eine Sache, die ich 2008 fast wie nebenbei wahrgenommen hatte und der nun gute achtzehn Monate lang meine ganze Aufmerksamkeit galt. Wieder ging es zuerst um die Geraderichtung der Hinterhand.
Der Einsatz nur der Hände erwies sich als geniales Mittel vorallem die ohne Beschlag sehr empfindlichen und zum Teil gestörten Pferd schonend geradezurichten, sie geschmeidig zu machen und so weitestgehend von ihren Sorgen zu befreien. Es stellt sich heraus, wie die Orientierungen der Reiterhände funktionieren. Und letztendlich wurde auch deutlich, dass die vielen und subtilen Wirkungen der Reiterhände mit dem was zum Beispiel Sally Swift für den Sitz des Reiters erarbeitet hat nahtlos zusammenpassen. Ja, Hände sind die Fortsetzung des Körpers und sie sind für die Abstimmung zwischen Pferd und Reiter ausserordentlich geeignet. Aus der fortgesetzten Reiterei nur mit den Händen ergab sich eine vertikale/zirkulare Orientierung der Pferde, die es nun mit der horizontalen/lineraren Orientierung einer Gebrauchsreiter zu verbinden galt. Dabei stellte und sellt sich die zentrale Frage, welche Rolle in der Reiterei die Hanken des Pferdes übernehmen können und/oder sollen.
Inzwischen sind selbst einige der stark gestörten Pferde wieder soweit, dass sie die Welt verstehen. An Körper und Geist gesundet haben sie Spaß an der Reiterei gefunden und können bis zu einem gewissen Grad sogar gefordert werden. Von ihrem aktuellen Alter ziehen wir inzwischen einfach die zehn Jahre ab, die ich gebraucht habe, um die Sache mit der Reiterei zu durchschauen. Was bleibt ist die eigene Gesundung, welche weiterhin mit der Ausbildung der Pferde Hand in Hand geht. Ich gehe inzwischen davon aus, dass es eine direkte Koordinate zwischen dem gesund und normal funktionierenden Körper des Reiters und dem gesund und normal funktionierenden Körper des Pferdes gibt. Und dabei spielen vorallem die fliessenden Drehmomente der Gelenke eine Hauptrolle.
Und mit dem "Steinbrecht, plus..." Projekt eröffnen sich nun ganz neue Horizonte. Neben der genauen Darstellung seines Vorgehens, welche das "Gymnasium des Pferdes" so wertvoll macht, fallen die lückenhaften, wenn nicht falschen Aussagen zum Körper und seine irreführenden Bilder auf. Versteht man die Kraft innerer Bilder, dann versteht man wie sehr neben den heilsamen Wirkungen Steinbrechts in der ersten Hälfte des 20. Jahrunderts, sein Werk zu den Entgleisungen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts beigetragen hat. Leider sind weder Seunig noch Müseler, als die in der Nachkriegszeit in Deutschland am meisten gelesenen Autoren der Reiterei, auf Steinbrechts falsche Bilder eingegangen oder haben sie berichtigen. Nur der Tierarzt/Reiter Udo Bürger benennt Ansätze, die der Natur des Pferdes näher stehen als der mechanistische Ansatz.
2012 beginnt nun mit der Herausforderung, in dem Werk Steinbrechts Spreu vom Weizen zu trennen. Dabei gilt es moderne Erkenntnisse des Körpers zu Pferd nicht nur im Auge zu behalten, sondern in die eigene Reiterei zu integrieren. Und es geht darum die zum Teil verheerenden Bilder, die sich in der Reiterei des 20. Jahrhunderts breit gemacht haben mit Bildern, die der Natur des Pferdes entsprechen zu ersetzen. Diese Arbeit unternehme in der Hoffnung einen Beitrag zur neuen, modernen Reiterei zu leisten, die zum Glück, nicht zuletzt auf Grund der neuen, erweiterten Möglichkeiten des Austauschs im Internets, heute überall in die Gänge kommt. Als Menschheit haben wir am Tier einiges gut zu machen... Möge uns Reitern dies in der eignenen Reiterei gelingen.
Es folgt das Programm, welches ich mir für dieses Jahr für uns hier vorgenommen habe. Aus ihm wird sich, wie zuvor mit "Was tun diese Übungen eigentlich...?" und auch mit "Hände" geschehen, hoffentlich auch diesmal wieder ein umfassender und brauchbarer Bericht dazu ergeben, wie der Reiter seiner Körperlichkeit und seinem Wesen entsprechend, erfolgreich mit Körper und Geist des Pferdes umgehen kann.
P.S. : Für den interessierten Leser :
In dieser Datei und in ihrer englischen Übersetzung gilt es Teile fertigzustellen und den Text zu straffen. In der Datei "Hände" fehlt weiterhin das Kapitel zur Handarbeit. Das ist merkwürdig und zugleich fast lustig. Denn gerade die Handarbeit ist bei uns hier inzwischen so in Fleisch und Blut übergegangen, dass scheinbar keine Fragen übrig geblieben sind. Es sollte also eine Kleinigkeit sein, ein Kapitel über Handarbeit für den täglichen Gebrauch zu schreiben und fertigzustellen. Anderseits beinhaltet auch dieses Thema die ganze Komplexität des drei-dimensionalen Bewegungsapparats und sollte keine Fehler beinhalten. Deshalb bitte weiter Geduld... Einiges wird sich bei der Rückübertragung des deutschen Textes ins Englische klären. Da alle Projekte hier immer parallel ablaufen, wird darüber jedoch wahrscheinlich dieses und vielleicht auch noch nächstes Jahr vergehen... Vielleicht klappt ja ein kurzes Video im Frühjahr, sozusagen vorab...
Zugleich scheint es mit sinnvoll nach einem Verleger und/oder Graphiker/Drucker Ausschau zu halten, der sich von Anbeginn in die Entwicklung der geplanten Buchreihe einbringen kann. Es geht um eine deutsch/englische Ausgabe der im Weiteren genannten Titel. Den ersten haben wir 2007 selbst herausgebracht. Er ist umfangreich illustriert und inzwischen vergriffen. Der zweite sehr schön, aber ganz anders illustrierte Titel ist noch nicht verlegt. Konkrete Pläne der Bebilderung bestehen für die drei weiteren Titel. Geplant sind Kunstbücher, die im book-on-demand Verfahren in kleinen Auflagen hergestellt und so immer weiter im Druck gehalten werden können.
Die Titel:
- Die Elemente der Reiterei (2007)
- Haltung (2008)
- Was tun diese Übungen eigentlich...? (2009)
- Hände (2010/11)
- Steinbrecht, plus... (2012/13)