Das Pferd soll sich im Schritt, Trab und Galopp anfühlen als liefe es auf Schienen und als ginge es an Stangen. Das heisst, es soll in gleichmäßigem Takt erst an der Longe und dann unter dem Reiter vorwärts gehen und mit seinem Körper die vom Reiter/Ausbilder vorgegebene Linie abzeichnen. Dabei bleibt dem Pferd die Wahl seiner Haltung überlassen. Es soll den Hals ruhig tragen und mit der Hand des Reiters Kontakt aufnehmen. Diesem einfachen Ziel mag zunächst die Schiefe und, wenn der Rücken schwach ist, die Unfähigkeit den Hals ruhig zu tragen im Wege stehen.
Der Reiter hat im Vorfeld die Biomechanik des Pferdes kennengelernt und das equide Gleichgewicht verstanden. Die Schiefe und die Mittel ihrer Beseitigung (die Geraderichtung)
(?) sind klar geworden. Er sollte die Haltungen des Pferdes und das Schliessen der Kruppe (?) verstanden haben. Und so ungwöhnlich es klingen mag, immer wieder stellt sich heraus, dass das Wissen um die Befindlichkeit des Pferdes sich wie eine Datei auswirkt, die das Pferd im Reiter liesst und in der es sich erkennt.
Der Reiter strebt im ersten Ausbildungsziel die Beseitigung der Schiefe in der Hinterhand, die Gleichseitigkeit von Hals, Genick und Schultern und die Elastizität der Hanken an. Dabei erhält er des Pferdes Vorwärtsdrang und bewacht seine Längsbiegung.
Haltungen und Körpersprache des Reiters:
Der Reiter sitzt mit aufrechter Wirbelsäule losgelassen auf dem Ruhepunkt im Rücken des Pferdes. Seine Beine und Hände sind geschmeidig und ‘dran’. Er trabt leicht solange ihn das Pferd nicht sitzen lässt. In den Wendungen begleitet er das Pferd durch ein Wenden seiner Schultern. Er kennt die Wirkung des Zügels am Hals und des Ringfingers am Gebiss. Er hat die Einwirkung des durchfedernden Absatzes und der locker angelegten Beine des Reiters auf die Hinterbeine des Pferdes verstanden und lernt im folgenden die vollständige Körpersprache des Reitens Schritt für Schritt kennen.
Übungen, Figuren und Lektionen:
Es gibt ein grundlegendes Vorgehen, welches dem Pferd Schritt weise die Einwirkungen des Reiters erklärt, dabei dem Reiter die Gelegenheit gibt seine Einwirkungen auf das Pferd kennen und ausführen zu lernen und welches zugleich die Geraderichtung des Pferdes anspricht. Unter Berücksichtigung dieses Vorgehens nutzt der Reiter die folgenden Übungen, Figuren und Lektionen um das erste Ausbildungziel sicher und zügig zu erreichen.
- Wenden auf der kleinen Acht
- Lange, flache Schlangenlinien
- Freie Figuren
- Vorwärts auf der großen Acht
- Anhalten/Stehen
- Angaloppieren
- Im Gelände galoppieren
Hilfsmittel:
- Führen
- Freilauf
- Geradeaus und Wenden an der halblangen Longe
- Längsbiegung und Vorwärts an der langen Longe
- Bodenarbit
Die reiterliche Praxis:
Der Reiter setzt die genannten Mittel (Haltung, Losgelassenheit, Einwirkungen, Hufschlagfiguren, Lektionen und Hilfsmittel) dem jeweiligen Ist-Zustand des Pferdes entsprechend ein. Er vermeidet den Einsatz muskulärer Kraft und lässt sich von Mängeln im Ist-Zustand nicht irritieren. Er legt grössten Wert auf immer gleichen und korrekten Einsatz der gewählten Mittel und berichtigt Fehler in der Ausführung des Pferdes sanft, bestimmt und ohne Verzug. Er beginnt im Schritt. Was im Schritt mühelos geht, kann erst im Trab und dann im Galopp in Angriff genommen werden. Gestörte Pferde haben gelegentlich im Schritt grössere Schwierigkeiten als im Trab und/oder Galopp. In diesem Fall beginnt der Reiter in der geeigneten höheren Gangart und geht danach zur niedrigeren über. Vorwärtsdrang steht vor gerade richten. Das heisst, das Pferd wird nur in dem Maß gerade gerichtet, in dem es sich in der neuen Stellung seines Körpers wohlfühlt. Hält sich der Reiter an diese Vorgehensweise und führt die unter 'Die Einwirkungen des Reiters' aufgeführten Schritte genau aus so erlebt er bald das Wunder des physiologisch korrekt angesprochenen Pferdes.
Und so geht es weiter:
Wenn das Ausbildungsziel ‘Wie auf Schienen, wie an Stangen’ erreicht ist, legt der Reiter eine ausgedehnte Phase im Gelände ein. Dabei bewacht er die vorläufige Geraderichtung des Pferdes. Das Pferd kräftigt sich so in dieser ihm noch ungewohnten Körperstellung. Bänder und Bindegewebe passen sich an. Die Muskelkraft entwickelt sich. Es lernt dem Reiter und seinen Anweisungen in allen Lebenslagen zu vertrauen. Nach Abschluss dieser Phase ist es mental, emotional, physiologisch und kräftemäßig für die entgültige Geraderichtung und den zweiten Gang vorbereitet.
Der Reiter nutzt die Zeit im Gelände um den Einsatz der Anlehnung, Genickstellung, Längs- und Rippenbiegung, Durchlässigkeit, Aufrichtung und Beizäumung des Pferdes in der freien Natur zu beobachten. Diese Aspekte equider Physiologie sind beim zweiten Ausbildungsziel Thema.
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