1 Solange das Pferd lang und flach ist, sind die Hände des Reiters flach. Ringfinger und Zügel weisen vom Pferdehals weg. Erst wenn das Pferd sich hebt, richten sich die Hände des Reiters auf. Die Daumen sind dann oben und der Reiter wirkt mit seinen Ringfingern auf den Unterkiefer des Pferdes ein. Die Zügel weisen zum Pferdehals. Später, nachdem das Pferd sich seinen Hanken anvertraut hat, kann der Reiter es mit beiden Zügeln in einer Hand führen.
As long as the horse is long and low, the rider's hands are flat.....
2 Was geht daraus hervor? Es gibt eine Wechselwirkung zwischen den Haltungen des Pferdes und den Orientierungen der Reiterhände. Solange das Pferd sich nicht hebt, führen die flachen Hände des Reiters seine Schultern. Das Gewicht des Pferdes ist mehr oder weniger gleichmäßig auf alle vier Beine verteilt. Auf dem erhabenen Pferd führen die aufrechten Hände des Reiters die Hinterhand des Pferdes. Das Pferd stützt sein Gleichgewicht mit den Hinterbeinen und die Schultern sind von einem Übergewicht befreit.
3 Aber auch dies gilt. Solange das Pferd lang und flach ist, sind die flachen Hände des Reiters weit auseinander. Oder sie ruhen auf dem Pferdehals rechts und links vom Widerrist. Wenn sich das Pferd erhebt, heben sich Schlüsselbeine/Unterarme des Reiters und er bringt seine aufrechten Hände näher zusammen. Wenn das Pferd die Hanken aktiviert, nimmt der Reiter beide Zügel in eine Hand. Die Zügel liegen dann dicht und lang am Hals des Pferdes an.
4 Was lässt sich weiter aus diesen Beobachtungen schliessen? Nicht nur Orientierung, sondern auch Position der Reiterhände stehen in einer Wechselwirkung mit den Haltungen des Pferdes. Beide spiegeln die Haltungen des Pferdes wieder, und sprechen sie zugleich an. Niedrige flache Hände teilen dem Pferd mit, bleib unten und streck dich. Getragene aufrechte Hände sagen ihm, richte dich auf und verlagere dein Gewicht nach hinten. Beide Zügel in einer Hand schlagen ihm vor, heb die Halsbasis und verleg die Kontrolle des Bewegungsablaufs auf die Hanken.
5 Genannten Wirkungen gehen bis auf die Letztgenannte im Normalfall von zwei Reiterhänden aus. Die Wirkungen der Reiterhände können, bei getrennter Zügelführung jedoch auch von nur je einer der beiden Hände ausgehen. Unterschiedliche, sich ergänzende Impulse der Hände können einander dabei unterstützen. Die Hände des Reiters werden so zu Mittel und Grundlage gezielter Gewichtsverteilungen, fliessender Seitengänge und effektiver Gymnastizierungen.
6 Es gibt also einen Zusammenhang zwischen den Händen des Reiters, den Haltungen des Pferdes und der Verteilung seines Gewichts. Und Selbstkontrolle, Reaktionen und Bewegungen des Pferdes finden all auch unmittelbar an der Hand des Reiters statt. Wie gesagt, solange das Pferd lang und flach ist kann der Reiter nur auf die Bewegungsrichtung der Pferdeschultern Einfluss nehmen. Erst wenn sich sein Hals und Widerrist heben, kann der Reiter das Gleichgewicht des Pferdes ansprechen. Und erst nachdem das Pferd sich seinen Hanken anvertraut hat, kann der Reiter alle Aspekte seiner Bewegung im Detail bestimmen. Erst wenn das Pferd die Vorhand hebt und die Hanken aktiviert sind, ist es im Vollbesitz seiner Kräfte. Und erst dann kann das Pferd dem Reiter diese voll zur Verfügung stellen. Die Kunst der Ausbildung manifestiert sich also in einer angemessenen Progression von niedriger zu aufgerechter Haltung zu umfassender Kontrolle. In dieser Progression spielen die Hände des Reiters, mit all ihren Möglichkeiten, die entscheidende Rolle.
7 So weit so gut. Und doch gibt es in diesem Gedankengang einen Haken: Das gesunde Pferd beherrscht sich und seine Kräfte von Natur aus. Es bedient sich in allen Lebenslagen eines dynamischen Gleichgewichts, welches es perfekt einzusetzen weiss. Muss das Pferd diese Kontrolle seines eigenen Körpers an den Reiter abgeben, um ihn tragen und ihm dienen zu können? Nein, ganz sicher nicht. Genau das Gegenteil ist der Fall. Der Reiter stimmt sich auf das Pferd ein und spricht dessen Bewegungspotential via Zunge, Unterkiefer und Genick so an, als gingen alle Impulse von ihm, dem Pferd selbst aus. Das Pferd lernt in diesem Zuge auf die Hände des Reiters zu achten, und das was sie ihm vorgeben genau auszuführen. Das Pferd überwindet damit (unter des Reiters Führung...) nach und nach die Schwierigkeiten, die ihm mit dem Druck des Sattels beziehungsweise Gurts, dem Tragen des Reiters und in der Phase der Geradegerichtung entstanden sind. Dabei ist es, als beherrsche der Reiter die "Schaltbox" und das Pferd führe seine Anweisungen "nur" aus. Obwohl das Pferd doch weiterhin alle Aspekte seinen Körper selbst beherrscht.